Die Geschichte des Hauses Rinderbachergasse 10

Nur wenige Schritte vom Rathaus entfernt in einer kleinen Seitenstrasse, der Rinderbachergasse, liegt das "Hotel Einhorn". Im Mittelalter war dieser Ort eine exklusive Wohngegend des Adels gewesen (1),(2); den Namen hat er von den Herren von Rinderbach, welche damals in Gmünd das führende Geschlecht waren(9).

Blick in die Rinderbachergasse
Blick in die Rinderbachergasse

Bei den Umbauarbeiten im Jahre 1985, als das Gebäude Nr. 10 von Grund auf umstrukturiert wurde, entdeckte man einen ungewöhnlich schönen und besonders gut erhaltenen Gewölbekeller. Leuchtende Augen bekamen die Denkmalschützer, als sie entdeckten, dass er aus dem frühen 13. Jh. stammen musste. Es zeigte sich, dass er zum Fundament eines romanischen Steinhauses gehörte. Das Fundament besitzt einen annähernd quadratischen Grundriss, der auf einen mehrgeschössigen Wohnturm schließen lässt, wie er seinerzeit nur als herrschaftlicher Sitz errichtet worden war (3),(2). Er diente in der Stauferzeit also sicherlich einer vornehmen Gmünder Familie als Wohnsitz (11) . In der einstigen Westmauer konnte der ehemalige Eingang mit Riegelverschluss nachgewiesen werden. Die hölzerne Riegelführung wurde auf das Jahr 1222 (+/- 10 J) datiert (2). Damit haben wir hier Zeugnisse von einem der ältesten Steinhäuser in Gmünd, als Baujahr kann die Zeit um 1240/50 angenommen werden.

Skizze des Staufischen Wohnturmes, nach Theo Zanek
Skizze des Staufischen Wohnturmes, nach Theo Zanek

 

Reste des Staufischen Wohnturmes, in den Empfangsbereich integriert
Reste des Staufischen Wohnturmes, in den Empfangsbereich integriert

Besonders beeindruckend ist die bis zu zweieinhalb Meter starke Grundmauer entlang der Rinderbachergasse (2). Ein solch starkes Fundament findet man sonst nirgendwo in Gmünd. Diese starke Schildmauer gibt heute noch Rätsel auf, da sie aus dem Rahmen der sonst üblichen Mauerstärken heraus fällt.

Ehemalige Schildmauer, Blick in die Passage
Ehemalige Schildmauer, Blick in die Passage

Man nimmt an, dass das Gewölbe einstmals nicht wie heute im Keller lag, sondern ebenerdig und einen direkten Zugang zur Rinderbachergasse hatte (Nische in der Nordwand Barbarossakeller). Der Gewölbekeller wurde liebevoll restauriert, ist in seinen wesentlichen Teilen romanisch und als "Barbarossakeller" den Gmündern ein Begriff. Die Grundmauer wurde auf dem Niveau der Strasse zur Hälfte abgetragen, um in der schmalen Strasse heute eine Passage für Fußgänger zu schaffen.

Nische im Keller
Nische im Keller

Die Denkmalschützer fanden hier auch einen vollständig erhaltenen romanischen Torbogen (9), der ehemals wohl direkt zur Strasse geführt hatte. Beim Umbau ließ man die Quader sorgfältig herausnehmen und ein Stockwerk höher einbauen, so dass der Torbogen nun wieder ebenerdig den Zugang zur Strasse bildet - diesmal als Entree des Hotels.

Romanischer Torbogen
Romanischer Torbogen

Das Geschlecht der Staufer hatte seinen Stammsitz auf dem Hohenstaufen, dem westlichsten der drei "Kaiserberge" südlich von Schwäbisch Gmünd am Trauf der Schwäbischen Alb. Friedrich aus dem Hause der Staufer erbte 1147 das Herzogtum Schwaben und erlangte im Jahre 1155 als Kaiser Friedrich I die Kaiserkrone (7) . Wegen seines rotblonden Bartes wurde er Kaiser Barbarossa genannt.
Als Gründungsdatum für die Stadt Schwäbisch Gmünd gilt das Jahr 1162 (4) , damit kann sich Gmünd als älteste Stauferstadt Deutschlands bezeichnen, die dies auch durch eine Urkunde belegen kann (10). "Es ist nicht auszuschließen, dass die Gmünd Friedrich Barbarossa die entscheidende Förderung und Privilegierung verdankt..." (4). Das Remstal war zur Stauferzeit eine frequentierte Reiseroute. Es stellte im Mittelalter eine hochwichtige Verkehrsstraße von Cannstatt nach Nördlingen und Augsburg für Wein- und Getreidehandel dar (6). Und obwohl es keine eindeutigen Belege dafür gibt, ist es durchaus möglich, dass Kaiser Barbarossa die Stadt Gmünd besucht hatte (5).

Das aus dem 13. Jahrhundert stammende Steinhaus wurde im Lauf der Geschichte mehrfach verändert (2). Im 15. Jahrhundert wurde der romanische Kern mit Fachwerk überbaut. Man erkennt dies leicht an den unterschiedlichen Fußbodenhöhen im Erdgeschoß und im 1. Stock. Im romanischen Teil lag der Boden 1,30 m höher als im der Gasse angepaßten Erweiterungsbau. Man darf annehmen, dass das romanische Steinhaus in Teilen abgetragen wurde und schließlich mit dem Erweiterungsbau ein gemeinsames Dach erhielt.

Das Haus erhielt um 1832 im Zuge der ausklingenden Barockisierung drei Stockwerke im klassizistischen Baustil mit Mansardendach. Es wurde dabei in die 1820 gegründete Silberwarenfabrik der Gebrüder Deyhle als Bürogebäude integriert. Im Bereich des heutigen Treppenhauses war es mit dem benachbarten Fabrikgebäude verbunden. Die Deyhleschen Fabrikgebäude wurden 2013/14 vollständig abgerissen, um einer Neubebauung Platz zu machen. Nach dem Ende der Silberwaren-Fabrik wurde das Haus ab 1985 grundlegend umgebaut und einer Nutzung als Hotel zugeführt.

Schlussstein von 1832 mit den Initialen für
Schlussstein von 1832 mit den Initialen für "Dominikus Forster" (Silberwarenfabrikant)

Seit 2013 befindet sich das Gebäude im Besitz der Familie Streit aus Schwäbisch Gmünd, die es auch selbst betreibt. Das Hotel Einhorn wurde zwischen 2014 und 2015 noch einmal vollständig renoviert und modernisiert. Die wertvollen historischen Gegebenheiten wurden dabei erhalten und so in Szene gesetzt, dass heute die geschichtlichen Besonderheiten mit moderner Helligkeit und Annehmlichkeit verbunden sind. Das Hotel besitzt heute 18 Zimmer, jedes mit eigenem Charme und unverwechselbar.

Neuer Rezeptionsbereich
Neuer Rezeptionsbereich

Der Barbarossakeller dient als Frühstücksraum für die Hotelgäste, des weiteren finden dort auch die verschiedensten Veranstaltungen ihren Raum, wie Feiern zur Hochzeit, zur Taufe, zum Geburtstag. Auch AGV-Feste, Weihnachtsfeiern und Weinproben finden hier einen passenden Rahmen.

Unser Barbarossakeller
Unser Barbarossakeller

Das Siegel der Stadt - ein aufsteigendes Einhorn - ist übrigens seit dem Jahre 1277 belegt. Seine Bedeutung und Herkunft sind ungeklärt (6).

Literatur:
(1) Zanek, T.: Gmünder Häuser und Geschichten Bd2, 120 (Einhorn-Verlag, Schwäbisch Gmünd 1998)
(2) Zanek, T.: Gmünder Häuser und Geschichten, 198 (Einhorn-Verlag, Schwäbisch Gmünd 1997)
(3) Zanek, T.: Gmünder Häuser und Geschichten, 9 (Einhorn-Verlag, Schwäbisch Gmünd 1997)
(4) Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd, 54 (Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1984)
(5) Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd, 73 (Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1984)
(6) Herrmann, K.J., Müller, U.: Kleine Geschichte der Stadt Schwäbisch Gmünd (DRW-Verlag, Leinfelden-Echterdingen 2006)
(7) Akemann, M.: Die Staufer (Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2006)
(8) Bächle, H.-W.: Die Hohenstaufen (I), 184 (Remsdruckerei Sigg, Härtel & Co., Schwäbisch Gmünd 2007)
(9) Bächle, H.-W.: Die Hohenstaufen (I), 195 (Remsdruckerei Sigg, Härtel & Co., Schwäbisch Gmünd 2007)
(10) Bächle, H.-W.: Die Hohenstaufen (I), 68 (Remsdruckerei Sigg, Härtel & Co., Schwäbisch Gmünd 2007)
(11) Einhorn-Jahrbuch Schwäbisch Gmünd 19, 127 (Einhorn-Druckerei, Schwäbisch Gmünd 1992)